AndroSF 105-ISBN 978-3-95765169-3 erschienen im Juni 2020.
Der Navigator Ttrebi H*tr ist als Chronist der Menschheit auf dem Planeten Tha in geradezu mönchischer Klausur unterwegs.
Unbekannte Auftraggeber erwarten von ihm innerhalb eines Tha-Jahres die Niederschrift der technischen, sozialen und spirituellen Evolution der Menschheitsgeschichte der letzten 500.000 Jahre einer so genannten multiversalen Hintergrundzeit.
Während er die Protokolle anfertigt, kommt er dem Rätsel der Identität seiner Auftraggeber immer näher und damit auch seiner eigenen Identität und der Identität der Menschheit…
Dies ist keine spannungsgeladene Geschichte im herkömmlichen Sinne mit Anfang, Entwicklung, Höhepunkt, Abspann, Ende. Stattdessen fließt alles mit der Zeit von Christi Geburt an bis zum Jahr 500.000. Die Geschichte der Menschheit wird als chronologische Abfolge von Ereignissen verstanden und erzählt.
Es gibt eine übersichtliche Zahl an Protagonisten: den Navigator und Chronisten Ttrebi H*tr, die unbekannten Auftraggeber und den eigentlichen Adressaten der Chronologie, den werten Leser.
Wir werden mit einem schier atemberaubenden technischen Fortschritt im Zeitraffer konfrontiert. Hyperraum, millionenfache Überlichtgeschwindigkeit, Transitionen von Raumschiffen, Gravitationssenken, supermassereiche Schwarze Löcher, Dunkle Energie oder quantenmechanische Verschränkungen, alles da. Manchmal glaubt man, in ein höher dimensionales Multiversum Perry Rhodan`schen Zuschnitts versetzt worden zu sein. Ein 100 Romanhefte umfassender Zyklus auf 224 Seiten komprimiert. Faszinierend.
Besonders spannend und interessant finde ich die im Roman entwickelte Vorstellung, mit Hilfe von Spiegeln in die Vergangenheit schauen zu können. Vergangene Ereignisse lassen sich hochauflösend beobachten. Allein bei der Geburt Christi lässt sich das Bild nicht scharf stellen. Warum nicht?
Die soziale Entwicklung der Menschheit verläuft erfreulicherweise in eine friedliche Richtung. Die Menschen haben ein staatliches Grundeinkommen und können selbst frei bestimmen, ob sie darüber hinaus zusätzliche Leistungen, die ihren Neigungen entsprechen, erbringen möchten. Als Gegenleistung winken Privilegien und Wissensgewinn. Das hört sich nach erdigem sozial-demokratischen Gedankengut des Erscheinungsjahres des Romans 2020 an und soll noch im Jahr 500.000 Bestand haben? Unglaublich!
Die spirituelle Entwicklung der Menschheit ist kurz gefasst. Nach vielen „Glaubenskriegen“ einigt man sich letztendlich auf eine universell für alle geltende Einheitsreligion.
Derart befriedet, macht sich die Menschheit auf den Weg ins All. Hoffend, weiteres intelligentes Leben in seinem Universum zu finden. Erfolgslos. Da draußen ist nichts. Bis es endlich zu einem ersten Kontakt mit den Fremden kommt. Diese Fremden scheinen offenbar genauso erfolglos im Dunkeln herumzustochern und beauftragen den Navigator und Chronisten Ttrebi H*tr mit dem Protokoll der Menschheitsgeschichte.
Der Chronist reiht nun Baustein an Baustein, um sich dann schließlich durch den Erkenntnisgewinn am Ende seines Lebenswerks den wirklich wichtigen Fragen des Universums zu stellen: Gibt es den Schöpfer, den kosmischen Lenker? Doch wer oder was lenkt wiederum den Lenker? Und wer oder was lenkt wieder diesen? Es geht also um die großen Fragen des Schicksals.
Was passiert eigentlich, wenn der Protagonist dieser Geschichte Ttrebi H*tr den Schöpfer tatsächlich findet? Kann es in diesem Moment überhaupt noch Schicksal geben? Oder sind dann nicht die Menschheit und der Schöpfer wiederum von einem übergeordneten Schicksal abhängig?
Könnte die Antwort am langen Ende womöglich in einem simplen Schalter mit AN – AUS –und HOLD-Taste liegen? So etwas wie ein multiversaler Regelkreis? Ja, und wer betätigt den Schalter?
Spannende Fragen. So spannend, dass ich das Buch gleich nocheinmal gelesen habe.
U.K. Dezember 2021