Factory Records FAC XXV-FAC 25-1980/81
Original UK Pressung 1980, Original D Pressung 1981, Reissues 2007, 2020
Im Mint Magazin Nr. 34 vom Februar 2020 nimmt sich Frank Wonneberg in gewohnt professioneller Weise des Joy Division Erstwerks „Unknown Pleasures“ an. In diesem wunderbaren Aufsatz destilliert Frank zu meiner großen Überraschung hörtechnisch ausgerechnet die deutsche Erstausgabe zum Maß aller Dinge heraus. Er spricht u.a. von einem „Maximum an Atmosphäre, von Details und Ortungsschärfe“. Ich bin augenblicklich alarmiert.
Ein Blick in meinen Plattenschrank offenbart mir ein schwarzes Loch bei den deutschen Joy Division Pressungen. Offenbar wurde bereits vor Jahrzehnten die deutsche Ausgabe durch einen original englischen „Porky Prime Cut“ ersetzt. Nun, diesen Mangel habe ich umgehend behoben und mir die deutsche Erstausgabe (nicht mehr ganz so preiswert in Near Mint Erhaltung) besorgt. Mein Hörtest liefert folgendes Ergebnis: Die UK Pressung klingt trocken und knackig, wie ich es von einer britischen Pressung erwarte, aber ein wenig eng. Die deutsche Pressung hingegen klingt luftig, funkelnd und detailreich.
Da liegt unmittelbar der Gedanke an das Zweitwerk der Band Closer nahe. Wie klingen denn die Closer Pressungen im Vergleich? Der Griff in den Plattenschrank fördert neben einer englischen Drittpressung die beiden Reissues von 2007 (UK und US Pressung, der wahre Nerd muss ja beide haben) zu Tage. Und….welch Glück, in meiner Flohmarkt Kiste steckt noch eine deutsche Ausgabe und…noch mehr Glück….die deutsche Erstpressung. Das Cover hat einen kleinen Riss, das Vinyl ist jedoch Top erhalten. Der sofort anberaumte Hörtest ergibt einen Volltreffer. Die deutsche Closer Erstausgabe klingt genau so charmant gut wie die deutsche Erstausgabe der Unknown Pleasures. Der Vergleich mit der englischen Drittpressung ist nicht nur ungerecht, er klingt auch so. Die englische Ausgabe geht gnadenlos in die Knie. Um der Sache gerecht zu werden, muss also die englische Erstpressung her.
Das Unterfangen gestaltet sich nicht so einfach. Die Closer Erstausgabe ist in drei verschiedenen Presswerken zwar immer von demselben Vater aber von verschiedenen Söhnen auf unterschiedlichen Maschinen gefertigt worden. Diese Unterschiede lassen sich an der Beschaffenheit des Labels und teilweise auch an der Beschaffenheit des LP Materials erkennen. „Translucent red“ erweist sich zumindest preislich als heiliger Gral. Um hier das Press-Maß aller Dinge herauszufinden, müsste ich die drei Pressungen (teuer) erwerben. Ich beschränke mich daher auf die Pressung aus dem Tranco Presswerk. Ein tiefer Griff in meine Geldbörse lässt eines Tages diese britische Erstausgabe der Closer (selbstverständlich in „translucent“ rotem Vinyl) auf meinem Plattenteller ihr Debut geben. Und was soll ich sagen…. Das Ergebnis ist ähnlich wie beim Vergleich der britischen und deutschen Ausgabe von Unknown Pleasures. Allerdings gefällt mir ein Song wie Passover eher trocken und ein Song wie Heart And Soul eher brillant. Daher mein Fazit: man muss beide Pressungen haben!
Anzumerken ist noch, dass die US- und UK-Reissues von 2007 hörenswert sind. Der Klang ist satt, schon fast ein wenig fett. Offenbar wurde im unteren Bereich Tiefenklang addiert, es wurde leicht komprimiert und es wurde etwas mittiger abgemischt.
Die aktuelle Neuauflage von 2020 auf farblosem, transparentem Vinyl soll von Bernard Albrecht persönlich neu remastered worden sein. Die Aufnahme klingt tatsächlich erfreulich frisch und luftig, ohne den satten Klang verloren zu haben. Es macht richtig Spaß, dieser Aufnahme zuzuhören.
UK-Nov. 2020